Sonnenaufgang in Motovun

Montag – Wieder frühes Aufstehen. Diesmal schon um 05:00 Uhr. Wir wollen uns heute den Sonnenaufgang bei Motovun nicht entgehen lassen. Nach knapp einer Stunde Fahrt erreichen wir gegen 7:00 Uhr von Pazin kommend eine Kurve mit einem Parkplatz und einem kleinen Café. Von dort aus haben wir eine fantastische Aussicht auf Motovun und wir beschließen, unsere Bilder hier zu machen.

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Wir richten uns ein für eine Langzeitaufnahme – einen Sonnenaufgangszeitraffer. Und das frühe Aufstehen hat sich gelohnt, die sonne steigt majestätisch über der Landschaft auf. Nachdem die Bilder im Kasten sind, fahren wir wieder in den Ort Motovun und gehen einmal um den Wehrgang.

Die Dächer des kleinen Ortes und die herrlichen Ausblicke in die winterlich diesige, vom Morgenlicht durchflutete Landschaft, die zunehmend milchig beleuchtet unter dem Ort liegt. Von hier oben, mit Blick auf das Tal der Mirna, die begrenzenden Bergzüge auf der einen und die eher hügelige Landschaft auf der anderen Seite, sind einige Dinge zu beobachten, die charakteristisch für das winterliche Istrien sind. Parzellen von Wein, wellig in der Landschaft.

In Reih und Glied geplanzte Bäume in quadratischem Feld neben einer anderen Struktur und Farbe, ebenfalls quadratisch. Strenge Ordnung neben wild wucherndem Gehölz, alles in Braun und Erdfarben, nur gelegentlich das Grün eines immergrünen Gewächses.
Das Land, das Motovun umgibt, ist, wie Pino erzählt, das Land der Riesen, oder besser gesagt des Riesen Veli Jože aus der gleichnamigen Erzählung des Schriftstellers Vladimir Nazor.

Das örtliche Hotel hat diesem Riesen zu Ehren einen etwa drei Meter großen Strohmann an seine Mauern gelehnt. Der zentrale Platz Motovuns, italienisch Montona, erzählt unaufdringlich einiges über die bewegte Geschichte des Ortes. An den Gebäuden rund um den Trg (Platz) Andrea Antico, an dessen einer Seite sich die Schiffe der Kirche des heiligen Stephan – Sveti Stjepan als scharfer Schattenriss abzeichnen, sind in Stein gemeißelt die Hoheitsabzeichen Venedigs und Österreich-Ungarns zu sehen, während als Flaggen von einem Gebäude die EU, Kroatien und Istrien winken.

Vor allem die Venezianer haben den Kern der auf einem Hügel wie Zuckerguss hingeschmolzenen Ortschaft geprägt.

Nach unserem Rundgang nehmen wir ein kleines Frühstück ein, während Pino weiterhin versucht, für den Tag Personen an der Küste oder in Rovinj zu finden, die unserem Filmprojekt, das bis dahin noch zu sehr an Steinen hängt, einen menschlichen Aufhänger hinzuzufügen.

Von Motovun geht die Fahrt wieder nach Pazin, wo uns das Wetter zwei Tage zuvor einen Strich durch die Rechnung machte. Wir treffen gegen Mittag dort ein und werden auf unserem Weg zur berühmten Schlucht, beim Schloss von Pazin ausgerechnet von einer Filmproduktion gestoppt. Alles ist abgesperrt. Wir können nicht in Erfahrung bringen was hier gerade gedreht wird und müssen auf die gegenüberliegende Seite ausweichen um Zugang zu finden. Die Schlucht wird durch den Karstfluss Pazinčica gebildet, der hier, unterhalb der vom Filmteam belagerten Burg Mitterburg, so der deutsche Namen des Ortes, plötzlich von der Erdoberfläche verschwindet.

Von der anderen Seite aus ist ein Abstieg in die Schlucht vom Grundstück des Hotels Lovac möglich. Von dort hat man auch einen grandiosen Ausblick auf die Burg, die sich imposant und doch in den Ort eingebettet von der Bergkette am Horizont abhebt. Burg und Ort ruhen auf einem fetten Karstsattel in dessen Gestein sich eine riesige Höhlung befindet, die ihm das Aussehen eines Schweizer Käses beschert.

Der Ort scheint trotzdem wie eine Brücke aus Eis über der Schlucht zu hängen. Ein Bild, wie man es in kleinerem Maßstab eher von Gletschern kennt. Von dieser Seite der Schlucht sind Seile gespannt mit denen erlebnishungrige Touristen sich in den Somermonaten wohl über den Abgrund katapultieren lassen können. Während Julien und ich das Gelände ein wenig erkunden und beschließen, nicht den steilen Abstieg vom Hotel aus zu wählen, versucht Pino weiter Termine in Rovinj

oder am Limfjord klarzumachen. Wir hatten gehofft, einen Muschelzüchter am Limfjord zu bekommen, aber der befindet sich gerade im Skiurlaub in Slowenien. Es bleibt noch die Hoffnung auf eine Fischfarm mit deren Zusage die Option gewahrt bliebe, jemanden auf´s Meer hinaus zu begleiten. Pino hat jetzt vorerst aufgegeben und begleitet uns in die Schlucht, diesen ein wenig furchteinflössenden Einstieg in die Unterwelt, an dem sich schon Dante (Divina Comedia/Inferno) und Jules Verne (im Roman Mathias Sandorf) abgearbeitet haben. Hier verschwindet die Pazinčica in einem sogenannten Schluckloch im Karstgestein und setzt seinen Weg unterirdisch fort.

Der Einstieg ist schnell gemacht und vollzogen. Der Grund der Fojba Schlucht erweist sich als äußerst schlammig und lehmig. Ich filme einge schöne Lichtreflektionen von einer kleinen, hölzernen Fußgängerbrücke aus, bevor ich weitergehe – soweit wie möglich. Das ist nicht sehr weit. Nach vielleicht zweihundert Metern ist kein Durchkommen mehr.

Der Boden ist glitschig, das Gehölz, das bis in etliche Meter Höhe von einer Schlammschicht ummantelt ist wird immer dichter. Die Pazinčica verschwindet von uns unbeobachtet aus der Welt. Ein Erreichen der berühmten Grotte von Pazin scheint zu dieser Jahreszeit ebenfalls nicht möglich zu sein. Dafür bietet das Spiel des Sonnenlichtes hinter dem wirren Gehölz Entschädigung.

So schlecht das Licht zur Mittagszeit von oben war und ein Bild der Schlucht als Ganzes unmöglich machte, so schön ist es jetzt, die hochstehende Sonne ganz vom Grund herauf hinter den schlammbelegten Zweigen spielen zu sehen. Auch bescheint sie schön den Fels, auf dem die Burg thront, und fordert zu einigen steilen Kameraschwenks heraus.

Aus der Schlucht wieder aufgetaucht erfolgt sogleich ein weiterer Kontaktversuch mit der Fischfarm, aber das läuft zäh. Sie gehört zu einem internationalen Konzern und entsprechend schwierig ist der Prozess. Wir formulieren wie verlangt eine E-Mail mit unserem Anliegen, nämlich jemanden, der auf dem Wasser arbeitet, bei seiner Arbeit begleiten zu dürfen, – aber eine Antwort bleibt aus. Dann fahren wir halt selbst hin, so der Beschluss.

Etwa eine Stunde später stehen wir am Limfjord, sehen die Anlagen des skifahrenden Muschelzüchters und geschlossene Restaurants. Etwas ratlos gehen wir in eine Zwangspause in der Mittagssonne, die wir sehr genießen, wohlwissend, dass wir Mitte Februar haben. Pino telefoniert derweil weiter im Auto und hat endlich Erfolg: In Rovinj hat der Künstler Rajko Svilar zugesagt.

Wir können sofort hinfahren und ihn in seinem Atelier besuchen und filmen. Also auf nach Rovinj. Der Künstler und Kunstprofessor erweist sich als äußerst

jovialer, offener Mensch, der uns herzlich begrüßt und in sein Atelier hereinläßt. Wir filmen ihn zunächst bei der Arbeit, bevor Pino ein Interview mit ihm führt. Am Ende erfahren wir sogar noch, dass er für den grafischen Auftritt derStadt Rovinj verantwortlich ist.

Der Mann und das Ambiente seines Ateliers sind ein Glücksfall für unsere Kameras. Langsam kristallisieren sich für mich die Konturen eines eigenen kleinen Filmes über Rovinj heraus. Vom Künstler verabschiedet suchen wir erstmal einen Supermarkt auf, um endlich unseren seit Pazin genährten Hunger zu stillen.

Mit den Einkäufen im Auto fahren wir dann wieder zum Limfjord, in der Hoffnung auf ein paar schöne Landschaftsbilder. Wie nach jedem Hoch folgt auch hier das Tief: Selbst vom Aussichtsturm besehen ist der Limfjord visuell so interessant wie die Erft bei Neuss. Unser Filmtag nähert sich dem Ende. Wir wollen noch Rovinj bei Sonnenuntergang einfangen.

Pino bringt uns zu einem Strand, von dem aus ein sensationelles Bild eines Bootes in der Reflektion der untergehenden Sonne auf dem Wasser gelingt. Eine Zeitraffer-Aufnahme von Rovinj mit untergehender Sonne im Gegenlicht wird dagegen nichts, weil im Motiv einfach nichts passiert.

Die Sonne geht ihren Weg – nicht nach des Fotografen Plan.